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Freundschaften und Abgründe

 Es ist kurz vor der Jahrtausendwende, kurz vor dem Schulabschluss für die Jugendlichen im schwedischen Skavböke. Tiefste Provinz, doch nur Sander träumt vom Auf- und Ausbruch. Nach einer alkohollastigen Party wird Mikael, der älteste Sohn des reichsten Bauern am Ort, erschlagen aufgefunden. Die Polizistinnen Gerd und Siri versuchen, die Wege der Jugendlichen nach der Party nachzuverfolgen, doch dank des Alkoholpegels können viele Zeugen nur diffuse Angaben machen. Die Beamtinnen werden auf Sander und seinen besten Freund Killian aufmerksam, sind überzeugt, dass sie etwas zu verbergen haben. Nachweisen lässt sich dem unzertrennlichen Duo jedoch nichts. 20 Jahre später bringt ein weiterer Mord den Polizisten Vidar zurück auf den nie gelösten cold case von 1999. Gibt es Zusammenhänge? Welche Abgründe verbergen sich in der scheinbaren Provinzidylle? Und haben die Menschen mit der Vergangenheit tatsächlich abgeschlossen? Christoffer Carlsson hat mit "Wenn die Nacht endet" einen s

Ein ungleiches Ermittlerpaar zwischen Bandengewalt und Intrigen

 Zwei Ermittler mit privat-beruflichem "Gepäck", der tragische Tod eines 13-Jährigen bei einem Drive by-Shooting in Malmö und ein Polizeiapparat voller Intrigen: "Tode, die wir sterben" von Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson ist ein gelungener Auftakt für eine neue Schwedenkrimi-Serie mit komplexen Plot und zwei gegensätzlichen Partnern, die sich noch zusammenraufen müssen. Svea Karhuu ist die Arbeit mit einem Partner nicht gewohnt - Jahrelang war sie als verdeckte Ermittlerin im Einsatz. Nachdem sie in Notwehr bei einem Undercover-Einsatz einen Kollegen tötete, wird sie gewissermaßen in Malmö geparkt, um aus der Schusslinie zu kommen, während interne Ermittlungen laufen. Zusammen mit dem langjährigen Mordermittler Jon Nordh soll sie den Tod des 13-jährigen Rashid aufklären.  Die Anzeichen weisen erst einmal auf einen Bandenkrieg hin - Der Junge geriet vor einer Pizzeria in die Schusslinie, in dem Lokal befanden sich zwei Gangmitglieder. Ein älterer Mann, der

Ermittlungsspagat zwischen Oslo und Edinburgh

 Mit "Furcht" hat der norwegische Autor Sven Petter Ness einen Kriminalroman geschrieben, der nicht nur zwischen Oslo und Edinburgh wechselt und dabei zwei Ermittlungsteams in den Focus stellt, das Buch hat auch etwas von einem Zwiebelprinzip oder einer russischen Matrjoschka-Puppe: Immer dann, wenn etwas klar erscheint, steckt dahinter nur die nächste Frage, das nächste Geheimnis - und das konsequent bis ganz zum Schluss. Es ergibt sich also so manche überraschende Wendung. Mit Harinder Singh ist der Protagonist nicht ganz der typische blonde, blauäugige Skandinavier, auch wenn er in Norwegen als Sohn eines indischen Einwanderers geboren wurde. Erwahrungen mit Alltagsrassismus werden allerdings nur eher nebenbei erwähnt, und wenn Singh in seiner Ermittlereinheit aneckt, dann hat das eher mit seiner Hartnäckigkeit zu tun, die von Vorgesetzten manchmal auch als Sturheit oder Eigensinn ausgelegt wird. Singh ist zunächst einmal als besorgter Verwandter unterwegs: Seine Nichte Am

Dorf mit Geheimnissen

 Für Leser*innen meiner Generation ist der Schwedenkrimi "Den Tod belauscht man nicht" von Ninni Schulman eine Rückkehr in die Jugend - er spielt in den 80-er Jahren, einer Zeit von Walkman und MixTapes - Streaming und Spotify gab es ja nicht. Mit Ingrid Wolt ist die Protagonistin eine interessante Figur: Eine Ex-Polizistin, frisch aus der Haft entlassen wegen versuchtem Totschlag.  Fernab ihrer alten Heimat Stockholm versucht sie in einem Dorf nahe der Kleinstadt Vamhus einen Neuanfang. Zum einen hofft sie auf einen Ort, an dem niemand ihre Vergangenheit kennt, zum anderen hat sie Angst, dass ihr gewalttätiger Ex-Mann Kjell, den sie damals niedergeschossen hat, sie ausfindig macht, um sich zu rächen. Vor allem aber hofft sie, wieder das Sorgerecht für ihre kleine Tochter Anna zu bekommen, die in den vergangenen Jahren in einer Pflegefamilie lebte - einer Pflegefamilie, der wenig daran gelegen scheint, dass Ingrid schnell wieder Kontakt zu dem Mädchen bekommt. Und auch die Kl

Eingeholt von der Vergangenheit

 Clara Lofthus, erst seit wenigen Monaten Witwe und nun alleinerziehende Mutter von Zwillingen, wird zur neuen norwegischen Justizministerin ernannt. Einerseits bringt sie das ihrem Ziel näher, Gesetze voranzubringen, die Kinder besser vor Misshandlungen schützen. Andererseits muss sie feststellen, dass sie rund um die Uhr verfügbar sein muss und nur noch wenig Autonomie in ihrem durchgetakteten Arbeitsalltag hat.  Das aber ist nur das geringste ihrer Probleme: Denn mit der Bergung eines vor 30 Jahren bei einem Unfall in ihrem westnorwegischen Heimatfjord versunkenen Autos wird das Interesse eines Lokaljournalisten an ihr geweckt. Dann verschwinden ihre Zwillingssöhne und sie findet eine Nachricht von Entführern vor. Die Polizei dürfe sie nicht einschalten, sonst würden die Kinder getötet. Wie kann sie als Politikerin im Rampenlicht der Öffentlichkeit versuchen, das Verschwinden ihrer Kinder aufzuklären? "Dunkler Abgrund" von Ruth Lillegraven ist eine Fortsetzung von "Ti

Auf high heels durch die finnischen Wälder

  "Weißglut" von Tobias Quast spielt zwar im hohen Norden, genauer gesagt in Finnland, ist aber dennoch eher cozy als Scandinavia Noir. Hängt vielleicht auch damit zusammen, dass der Autor Deutscher ist, wenn auch mit Finnland als zweiter Heimat. Ein deutsches Element liefert auch die Protagonistin, die Münchner Society Lady Sarah, die mit einer Auszeit in einem "Mökki", einem Ferienhaus an einem finnischen See, allem entkommen will: Dem schlagzeilenträchtigen Ehe-Aus, dem bevorstehenden Scheidungskrieg, den Geldforderungen ihrer Tochter und der Schickeria, die dank Illustrierten-Story weiß, dass sie von ihrem noch-Ehemann zugunsten einen 27-jährigen Schlagersternchens abserviert wurde. Danke, auf die öffentliche Demütigung kann sie verzichten. In Finnland kennt zwar niemand Sarah, aber Probleme begleiten sie auch in die Idylle am See. Nicht nur, dass sie erst mal im falschen und nicht sonderlich heimeligen Mökki absteigt, sie findet am Morgen auch eine Leiche. Und

Die vermisste Schwester

 Nachdem ich vor kurzem "Blutrot", den zweiten Band der isländischen Autorin Lilja Sigurdadottir über die Finanzermittlerin Arora auf der Suche nach der Leiche ihrer Schwester gelesen hatte, war meine Neugier geweckt: Wie hatte sich das alles entwickelt. Darauf gibt mir "Höllenkalt", der erste Band, der bereits im vergangenen Jahr erschien, die Antwort.  Das Buch ist auch gut, um die komplexen Familienbeziehungen und gerade das Verhältnis der Schwestern untereinander zu verstehen und auch ein besseres Bild von Arora zu gewinnen. Die Triologie - ich bin schon jetzt gespannt auf den dritten Band! - in der richtigen Reihenfolge zu lesen, ist auf jeden Fall ratsam. Arora ist eher widerwillig und auf Druck ihrer Mutter nach Island gereist, um dort nach dem Verbleib ihrer Schwester Isafold zu forschen. Arora wurde von ihrem verstorbenen isländischen Vater zwar als das "Trollmädchen" bezeichnet, weil bei ihr die Wikingergene durchkamen, doch eigentlich identifizi