Schwedens größter Kriminalfall
So aktuell können Krimis sein: Gerade mal zwei Woche vor Erscheinen des
Buchs „Die Taten der Toten“ präsentierte die schwedische Polizei den Abschluss
der Ermittlungen im Mordfall Olof Palme. Um den gewaltsamen Tod des
schwedischen Ministerpräsidenten geht es auch in dem Buch des
deutsch-schwedischen Autorenduos Roman
Voosen und Kerstin Signe Danielsson.
Mehr als eine Ermittlergeneration dürfte sich im „echten
Leben“ an dem größten Kriminalfall der schwedischen Geschichte abgearbeitet
haben. Denn Palme, der nach einem
Kinobesuch am 28. Februar 1986 in der Stockholmer Innenstadt erschossen wurde,
polarisierte seine Landsleute und hatte auch international Gegner.
Die Hinweise, Gerüchte und Spuren im Fall Palme beschäftigen auch die beiden ungleichen
Kommissarinnen Stina Forss und Ingrid Nyström und ihr kleines, entschlossenes
Team: Gab es eine rechtsextreme Verschwörung, etwa mit Verwicklungen von
Palme-Gegnern in den Reihen der Polizei? Spielte der südafrikanische
Apartheid-Staat eine Rolle, für dessen internationale Ächtung sich Palme
engagierte? Und was war mit jenem Zeugen, der sich bei den Ermittlungen so in
den Vordergrund spielte, dass er schließlich verdächtig wurde? Die echten
Ermittler in Schweden, so viel sei verraten, glauben, dass dieser mittlerweile
verstorbene Mann der Täter war.
Für die junge deutsch-schwedische Kommissarin Forss und ihre
erfahrene Kollegin Nyström geht es um viel und um Persönliches: Auf Forss
wurden mehrere Anschläge verübt, bei einem kam Nyströms Schwiegertochter ums
Leben, offenbar Opfer einer Verwechslung mit Forss. In der Hütte ihres
verstorbenen Vaters, eines ehemaligen Militärs, hat Forss einen Revolver und
einen Orden gefunden, den es eigentlich gar nicht geben dürfte. Ist es die
Tatwaffe?
Die Nachforschungen bleiben lebensgefährlich, auch als Forss ihren
Selbstmord vortäuscht. Nyström wiederum stößt bei ihren offiziellen
Ermittlungen zu den Anschlägen auf Widerstände. Die sonst so korrekte Ermittlerin
beschließt ihre eigene heimliche Operation.
Die Arbeit an diesem Fall bringt sie an psychische Grenzen und fordert
ihr bisheriges Selbstverständnis als Polizistin heraus.
„Die Taten der Toten“ ist rasant und spannend, auch wenn die
Autoren der Versuchung erliegen, aus der lädierten Forss eine derart toughe
Superfrau zu machen, dass die Figur über weite Strecken nicht mehr
glaubwürdig-realistisch wirkt. Weitaus mehr wie aus dem wirklichen Leben
gegriffen sind die Nebenfiguren, gerade die anderen Ermittler im Team mit ihren
menschlichen Macken und Eigenarten.
Wie es sich für einen guten Schwedenkrimi gehört, herrscht
nicht nur Spannung, das Lesen lädt auch zum Nachdenken ein, ob zu Gewalt gegen
Frauen, Rechtsextremismus bei der Polizei oder Seilschaften, die der
Wahrheitsfindung schaden. Ein furioses Finale bringt die Kommissarinnen in Grenzsituationen – und die Lösung des Falls
ist nach all den aufwändigen Spurensuchen überraschend.
Roman Voosen, Kerstin Signe Danielsson, Die Taten der Toten
KiWi, 2020
480 Seiten, 12 Euro
978-3-462-05377-7
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