Nervenzehrende Spannung und ein bißchen Leser-Frust - "10 Stunden tot"

Pädophile, Neonazis, Pornosucht und ein Serienmörder - Stefan Ahnhem packt viel, sehr viel, in "10 Stunden tot". Düsterer Skandinavienkrimi oder doch eher ein Thriller? Die Genreeinordnung fällt schwer, aber nervenzehrende Spannung ist garantiert, auch wenn ich als Erstlesterin eines Romans der Reihe um den schwedischen Kommissar Fabian Risk ein bißchen ins Schwimmen kam, da ich erst nach und nach das Beziehungsgeflecht der handelnden Personen und der Fälle durchschaute, die noch aus den vorangegangenen Bänden in die Handlung reinschwappten.

Das scheint übrigens ein Leitmotiv bei Ahnhem zu sein, denn auch am Ende von "10 Stunden tot" bleibt noch vieles offen, auch wenn über einige Fakten nunmehr Klarheit zu herrschen scheint. Diejenigen Leser, die am Ende eine gelösten Fall und einen überführten Täter erwarten, werden mit  diesem Buch wohl nicht glücklich werden.

Aber gleichzeitig: hochspannend, und selbst für skandinavische Verhältnisse tiefschwarz und voller Charaktere in existenziellen Krisen: Der Kommissar, der das Auseinanderbrechen seiner Familie befürchten muss und nach dem Tod seines Chefs dessen geheime Ermittlungen zu einem ungeheuerlichen Verdacht übernmmt, seine mit Alkoholsucht kämpfende Vorgesetzte, ein Kollegin, die nicht nur eine toxische Beziehung hat, sondern auch ins Visier frauchenverachtender rechtsextremer Rocker gerät - und das sind nur einige der Plots.

Angefangen vom grausamen Tod eines syrischen Jungen über die Brandstiftung in einer Flüchtlingsunterkunft gehen die Ernittler der Frage nach, ob es einen pädophilen oder einen rassistischen Hintergrund der Tat gibt. Doch auch mehrere bizarrer Morde halten das Ermittlerteam auf Trab. Dass sie so große Probleme haben, ein Tatmotiv für diese Taten zu finden, hat einen Grund: Der Täter plant zwar akribisch, findet seine Opfer aber auf ganz besondere Weise. Immer wieder wechselt die Erzählperspektive, mal aus der Sicht des Täters, mal aus der Sicht der Ermittler.

Wie schrieb schon Büchner: Jeder Mensch ist ein Abgrund....

10 Stunden tot ist eines der Bücher, an denen man dran bleiben muss, sonst verläuft sich der Leser leicht im Dickicht der Handlungsfäden. Ganz bestimmt ist dieses Buch nichts für die Anhänger von Cozy Krimis, denn es gibt schon einige Härten. Gleichzeitig ist es schwer, das Buch aus der Hand zu lesen - ich habe es jedenfalls an einem Wochenende verschlungen.

Stefan Ahnhem, 10 Stunden Tot
Ullstein Verlag, 2019
496 Seiten, 14,99
ISBN 978-3-55020005-2

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