Justizirrtum oder überführte Mörderin? Harinder Singh auf den Spuren eines alten Falls
Eigentlich ist Harinder Singh von der norwegischen Polizei noch krankgeschrieben, um eine Schussverletzung auszukurieren. Und er hat auch gar keine Lust, wieder einmal bei seinem Vorgesetzten anzuecken, indem er sich einen 20 Jahre alten Fall vornimmt, in dem dieser einst ermittelt hat. Der Mann ist schließlich für seine Gründlichkeit bekannt, und die Strafverteidigerin, die Singh bittet, sich die alten Akten noch einmal anzusehen, steht schließlich auf der "anderen Seite". Doch ganz kann Singh in "Schuld" von Sven Peter Naess seine Neugier dann doch nicht bezähmen - und stößt prompt auf eine Auffälligkeit, die ihn an der Schuld der wegen Doppelmordes verurteilten Helene zweifeln lässt.
Helene hat ihr halbes Leben im Gefängnis verbracht, ist nun vorzeitig entlassen worden und in ihren alten Heimatort zurückgekehrt, in dem auch Singh aufgewachsen ist. Beide gingen sogar auf dieselbe Schule, hatten aber nicht viel miteinander zu tun. Helene war schon als Teenager schwierig, hatte Probleme mit Alkohol und Drogen. Als Sängerin einer Metal Band träumte sie von Ruhm, doch auf dem Rückweg von einem Konzert soll sie Mutter und Stiefvater ermordet haben.
Helene wird nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen. Sie erhält anonyme Drohungen, der Bruder des Stiefvaters reagiert empört auf die Bemühungen um eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Und dann wird auch noch Helenes Vater tot aufgefunden, kurz nachdem sie öffentlich erklärt hatte, er verdiene den Tod. Auch bei der Polizei ist so mancher überzeugt, man müsse gar nicht nach weiteren Verdächtigen Ausschau halten. Singh allerdings erweist sich einmal mehr als hartnäckig und gründlich, und auch seine Kollegin, die offiziell die Ermittlungen leitet, will zum Verdruss einiger Ermittler sich nicht auf eine Verdächtige festlegen, sondern in alle Richtungen ermitteln.
Parallel zu dieser Haupthandlung erfahren die Leser, dass ein Unbekannter die Schritte Singhs und der Anwältin verfolgt, ihre Wohnungen verwanzt und Mobilgeräte manipuliert. Was es damit auf sich hat und wer hinter der Überwachung steckt, wird erst sehr spät im Buch geklärt und heizt die Spannung noch an - zumal die Leser*innen so über weite Strecken mehr wissen als die Polizei.
Auch wenn es am Ende ziemlich dramatisch wird, erzählt Naess vor allem ruhig und zurückgenommen. Wie in seinem vorangegangenen Buch "Furcht" ist Singh ein gründlicher, aufmerksamer Polizist, dessen Privatleben ebenfalls eine Rolle in dem Roman spielt. Dabei streut er zwischendurch immer wieder Hinweise, die eigentlich schon frühzeitig den Ausgang zumindest teilweise ahnen lassen. Eine Überraschung hält Naess dennoch parat.
Sven Peter Naess, Schuld
Aufbau 2025
320 Seiten, 9,99 Euro
9783841234124
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